Call of Duty: Vanguard bietet eine okaye Kampagne, die zwar viel verspricht, aber nicht so recht in die Gänge kommt.
Call of Duty: Vanguards Kampagne ist nicht so übel wie die von World War 2 aus dem Jahr 2017, aber es erfüllt leider auch nicht die Erwartungen, die das Marketingmaterial zuvor geschürt hat. Es ist nämlich sicher nicht "das beste WWII-Spiel" da draußen – klar, das war alles Werbung und Werbung übertreibt immer gerne. Aber versteht uns bitte nicht falsch: Nur weil es unsere Erwartungen nicht erfüllt, heißt das nicht, dass es ein kompletter Reinfall ist. Die Kampagne leidet schlicht unter den hohen Erwartungen, die die Trailer und Leaks in uns ausgelöst haben.
Während meines vier- bis fünfstündigen Durchspielens von Sledgehammers neuester Call of Duty-Kampagne ging mir eine Frage nicht aus dem Kopf: Wann geht's endlich richtig los? Die Idee von fünf Waffenbrüdern, die es mit dem Naziregime aufnehmen, wurde in Spielen und Filmen schon zu genüge abgefrühstückt, aber die Art und Weise, wie die Kampagne des Spiels im Werbematerial dargestellt wurde, hatte etwas Einzigartiges an sich. Das Problem ist allerdings, dass die fertige Kampagne der Werbung nicht wirklich entspricht. Die versprochenen tiefen Charaktere und die ikonischen, spektakulären Schauplätze kommen eindeutig zu kurz.
Heldenhafte Helden & böse Bösewichte
Wenn man die Kampagne in Vanguard in Angriff nimmt, geht man mit einer gewissen Erwartungshaltung an die Sache heran: eine typische Call of Duty-Kampagne mit der versprochenen erstklassigen Charakterentwicklung und einer liebenswerten Bande von weltmüden Kriegern. Das Problem ist, dass Sledgehammer Games in den vier bis fünf Stunden, die es dauert, bis man das Ende der geradlinigen Kampagne erreicht, nichts anderes tut, als einem ein Team von Karikaturen zu präsentieren. Klar, die Kampagne macht Spaß, aber sie lässt uns auch mit der Frage zurück: "Was zum Teufel ist hier eigentlich passiert?" Das Ganze wirkt viel zu übertrieben und es gelingt nicht, ein Gefühl der Verbundenheit mit den Charakteren zu schaffen.
Der Höhepunkt der Kampagne ist, wie wir alle erwartet haben, Laura Baileys Polina. Ihre Eröffnungssequenz, in der man ihren Bruder und ihren Vater am Esstisch trifft, ist nett inszeniert. Wenn alles unweigerlich zusammenbricht, spürt man das, und Polinas Rachefeldzug wirkt stärker und glaubwürdiger. Es ist nur schade, dass ihre zweite Mission in einem der am schlechtesten durchdachten und sinnlosesten Bosskämpfe endet, die ich je in einer Call of Duty-Kampagne erlebt habe. Der Kampf ist einfach nur frustrierend und nervig und trägt nicht wirklich etwas zur Story bei.
Die meisten Charaktere in der Kampagne fühlen sich einfach an wie ein klassischer B-Movie Charakter aus einem x-beliebigen WWII-Film. Da gibt es den arroganten Piloten, den ernsten britischen Fallschirmjäger, seinen besten Kumpel und die strenge Russin. Meinem australischen Kollegen ist besonders Lucas Riggs negativ aufgefallen, der jedes australische Klischee verkörpert, das man sich nur vorstellen kann und so auch eine der größten Schwächen von Vanguard verkörpert: den Schreibstil.
Hier sind die Ersteindrücke meines australischen Kollegen:
Die ständigen Anspielungen darauf, dass er nach seiner Rückkehr nach Australien Lamingtons haben möchte, der ständige (und oft falsche) Aussie-Slang und seine stereotypische "Larrikin"-Haltung gegenüber seinen Vorgesetzten machen Riggs zu einem weiteren Beispiel dafür, warum amerikanische Firmen sich vielleicht etwas besser informieren sollten, wenn sie internationale Charaktere zum Leben erwecken wollen. Ja, vielleicht sind wir hier etwas zu hart zu Vanguards Kampagne, aber sie wurde vor allem mit ihren spannenden und auf echten Personen basierenden Charakteren beworben und wenn die meisten Charaktere des Spiels am Ende nichts anderes als eindimensionale Karikaturen sind, ist das ein wenig problematisch.
In der ersten Mission des Spiels sagt Polina den Satz: "Ich erschieße Nazis. Sie sterben. Das ist mein Plan." Das verkörpert die Probleme der Kampagne ganz gut. Die Texte im Spiel sind oft so sehr mit Klischees gespickt, dass man denken könnte, wir haben noch 2005. Ja, wir haben es hier mit einem Call of Duty zu tun, da kann man keine Texte auf Shakespear Niveau erwarten, aber Dialoge wie die eben erwähnten, waren schon vor 10 Jahren abgedroschen. So langsam darf auch ein CoD im Jahr 2021 ankommen.
Ein weiteres Highlight der Kampagne ist Dominic Monaghans Bösewicht. Jannick Richter ist der Nazi-Offizier, der unsere Truppe während der gesamten Kampagne verhört. Er ist der vermutlich interessanteste Charakter, den Vanguard zu bieten hat. Gespielt von dem Schauspieler, der Merry in Herr der Ringe verkörperte, ist es spannend zu sehen, wie Richter versucht es seinen Vorgesetzten recht zu machen, während er gleichzeitig unglaublich brutal vorgeht. Je weiter das Spiel voranschreitet und Berlin fällt, desto interessanter werden die Veränderungen in seinem Charakter und seine Reaktionen auf die Geschehnisse um ihn herum. Richters Charakter macht tatsächlich eine interessante Wandlung durch. Umso enttäuschender ist es, dass man am Ende wieder nur den stereotypischen, durch und durch bösen Obernazi Hermann Wenzel Freisinger als Kontrahenten hat.
Wo sind die spektakulären Schauplätze?
Die Kampagne, die uns in Call of Duty: Vanguard präsentiert wird, versucht sicherlich, episch zu sein und obwohl sie ihre guten Momente hat, schafft sie es irgendwie trotzdem die versprochenen, epischen Schauplätze zu umgehen. Die Level, in denen wir uns bewegen sind nicht hässlich, ganz im Gegenteil, aber sie sind definitiv auch nichts, was sich einprägt. Zu den Höhepunkten gehören die beiden Missionen von Polina (abgesehen von dem schrecklichen Bosskampf, den wir oben erwähnt haben) und die vorletzte Mission (mit dem Titel "Die Schlacht von El Alamein").
Auf der anderen Seite bietet die Luftmission "Battle of Midway" ein wenig Abwechslung zum gewohnten Bodenkampf, aber die Mission bietet keinerlei Freiheiten und das Flugzeug steuert sich ungefähr so gut wie der Hintern einer Kuh. Der anschließende Numa Numa Trail ist auch nicht besonders aufregend und wird von einer verdammt langweiligen Schleicheinlage unterbrochen. Wir alle wissen, dass es in CoD schon hervorragende Stealth-Missionnen gab, aber in Vanguard suchen wir die leider vergeblich.
Dennoch macht die Kampagne von Call of Duty: Vanguard eine Menge Spaß, vor allem auf einigen der höheren Schwierigkeitsgrade. Wie immer ist das Kartendesign schick und es macht unheimlich viel Spaß, in den offeneren Gebieten herumzulaufen und herauszufinden, wie man die einzigartigen Fähigkeiten der einzelnen Charaktere am besten einsetzt, um ihre jeweiligen Vorteile zu nutzen. Auch wenn die Fähigkeiten selbst etwas unausgegoren wirken und sie absolut nicht zwingend nötig sind zum Vorankommen, sorgen sie doch für ein bisschen Abwechslung zwischen den Missionen und den Spielstilen der einzelnen Charaktere.
Das Hauptproblem ist, dass die Kampagne versucht, "episch" zu sein, sich aber nicht entscheiden kann zwischen gutem Storytelling und Gameplay. Die Schauplätze wirken relativ unbedeutend und während das Leveldesign zwar gut ist, fehlen uns einfach ein paar erinnerungswürdige Momente. Stattdessen fühlt sich die Kampagne zu großen Teilen wie eine Schießbude auf Rädern an und da könnte sich nach jetzt fast 20 Jahren mal ein bisschen was ändern.
Genau das ist der springende Punkt: Die Kampagne von Call of Duty: Vanguard scheint zu vergessen, dass wir im Jahr 2021 leben. Die Spieler erwarten inzwischen etwas mehr als das. Ja, Vanguards Kampagne ist sicherlich nicht die schlimmste CoD Kampagne ever, aber Modern Warfare und Black Ops haben deutlich besser abgeliefert.
Fazit
Die Kampagne von Call of Duty: Vanguard ist ein spaßiges, aber auch etwas enttäuschendes Erlebnis, dessen halbherziges Storytelling nicht den im Vorfeld geschürten Erwartungen gerecht wird. Charaktere wie aus dem Ei gepellt und langweilige Levels machen die Vanguard Kampagne leider zu einer der schwächsten der Serie – ich mein, man konnte noch nicht mal Panzer fahren... Sledgehammer Games hat zwar auf richtig geschmacklose Momente verzichtet – was wir ihnen hoch anrechnen –, aber es gibt eben auch keine herausragenden Momente.
Das Spiel wurde mit einem neuen Ansatz für den Zweiten Weltkrieg und als "das beste WWII-Spiel" vermarktet, aber es wird keiner dieser Ambitionen gerecht. Es macht zwar durchaus Spaß, aber erwartet bitte keine herausragenden Charaktere oder Action-Einlagen, die auch vom Hocker hauen. Nein, die Kampagne von Call of Duty: Vanguard ist ziemlicher CoD-Durschnitt – leider nichts Besonderes.
- Rating: 6/10
- Release Date: 5. November 2021
- Entwickler: Sledgehammer Games
- Genre: First-Person Shooter
- Spielerzahl: Einzelspieler & Multiplayer (Competitive & Co-op)
- Zeit: 4-5 Stunden
- Plattformen: PlayStation 4, PlayStation 5, Xbox One, Xbox Series X|S, PC